Ep.3/ Vom Leiden zum Sinn
Wer ein Warum zum Leben hat, erträgt fast jedes Wie.
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Es ist geradezu paradox: Viele Menschen kümmern sich akribisch um das Wohlergehen ihrer Haustiere, vernachlässigen dabei aber ihre eigene Gesundheit und ihr eigenes Wohlbefinden.
Auf den ersten Blick könnte man dieses Verhalten als tugendhaft bezeichnen. Doch bei genauerer Betrachtung wird klar: Es handelt sich weniger um Aufopferung als um Selbstvernachlässigung. Dieses Muster beschränkt sich nicht nur auf Hundebesitzer – wir alle kennen Bereiche in unserem Leben, in denen wir Wichtiges aufschieben oder sogar schädliche Gewohnheiten pflegen. Es herrscht offenbar eine Diskrepanz zwischen der Fürsorge, die wir anderen entgegenbringen, und jener, die wir uns selbst zukommen lassen.
Das Leben ist Leiden
Der kanadische Psychologe Jordan B. Peterson bietet im zweiten Kapitel seines Buches "12 Rules for Life" eine tiefgründige Erklärung für dieses Verhalten. Er greift auf die biblische Geschichte von Adam und Eva zurück, um unser Verhältnis zu uns selbst zu erklären.
Wir Menschen sind demnach "gefallene Kreaturen", abgespalten vom Absoluten, um überhaupt existieren zu können. Diese Abspaltung bringt Grenzen und Einschränkungen mit sich – die Grundbedingungen für menschliches Leben, aber auch die Quelle unseres Leidens.
Mit dem Biss in den Apfel der Erkenntnis erwachte laut Peterson das menschliche Bewusstsein. Dieses Bewusstsein ermöglicht uns zwar, uns selbst wahrzunehmen, macht uns aber auch unsere Unvollkommenheit und Verwundbarkeit schmerzlich bewusst. Es ist diese Erkenntnis, die uns dazu bringt, uns selbst geringer zu schätzen als andere.
Doch Peterson belässt es nicht bei dieser düsteren Analyse. Er zeigt einen Weg auf, wie wir trotz – oder gerade wegen – unserer Unvollkommenheit ein sinnerfülltes Leben führen können. Der Schlüssel liegt in der Übernahme von Verantwortung. Je mehr Verantwortung wir in unserem Leben übernehmen, desto mehr Sinn und Bedeutung erfahren wir. Und genau darum geht es: Ein Leben zu führen, das so bedeutungsvoll ist, dass es das inhärente Leiden wert ist.
Liebe dich selbst wie deinen Nächsten
Interessanterweise scheint der schwierigste Schritt darin zu bestehen, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen. Peterson argumentiert, dass wir nicht nur uns selbst gehören, sondern Teil eines komplexen gesellschaftlichen Netzwerks sind. Unser Selbstumgang hat weitreichende Konsequenzen für unser Umfeld.
Sich selbst so zu behandeln, als wäre man jemand, für den man verantwortlich ist zu helfen, bedeutet nicht, allen Impulsen nachzugeben oder nur nach kurzfristigem Glück zu streben. Es geht vielmehr darum, das zu tun, was tatsächlich gut für uns ist – auch wenn es manchmal unbequem sein mag. Peterson zieht hier eine Parallele zur Kindererziehung: Gute Eltern geben ihren Kindern nicht nur Süßigkeiten, sondern sorgen auch dafür, dass sie sich die Zähne putzen und warm anziehen, wenn es kalt ist. Genauso sollten wir mit uns selbst umgehen – mit Fürsorge, aber auch mit der nötigen Strenge.
Diese Perspektive lädt uns ein, unser Selbstverständnis zu überdenken. Es ist an der Zeit, uns selbst mit der gleichen Sorgfalt und Verantwortung zu behandeln, die wir anderen entgegenbringen. Denn wir verdienen es ebenso, gut für uns zu sorgen – schließlich hat unser eigenes Wohlbefinden auch Auswirkungen auf die Menschen um uns herum.
Letztendlich geht es darum, ein Leben zu führen, das nicht nur für uns selbst, sondern auch für unser Umfeld von Bedeutung ist. Indem wir Verantwortung für uns selbst übernehmen, schaffen wir die Grundlage für ein erfülltes Leben und positive Veränderungen in der Welt um uns herum. Es ist eine Herausforderung, aber eine, die es wert ist, angenommen zu werden.
Reflexionsfragen
Gibt es Zeiten in deinem Leben, in denen du das Gefühl hast, dass dein Leiden gerechtfertigt ist?
Gibt es Zeiten in deinem Leben, in denen du das Gefühl hast, dass dein Leiden eindeutig nicht gerechtfertigt ist?
Wie kannst du mehr bzw. weniger davon tun?
Quellen
Peterson, J. B. (2018). 12 Rules for Life: An Antidote to Chaos. Random House Canada.